From DDR-Presse: Beitraege und Materialien
Bitterfelder Weg
Der Begriff „Bitterfelder Weg“ stand im offiziellen Sprachgebrauch der DDR für eine von der SED geforderte und auf ihrem V. Parteitag 1958 beschlossene, eng an den politisch definierten Interessen der Arbeiterklasse ausgerichtete Kultur- und Kunstpolitik. Ihren Namen verdankt diese kulturpolitische Richtungsentscheidung der im April 1959 veranstalteten Autorentagung in einem der größten Chemiebetriebe der DDR, dem „VEB Chemiekombinat Bitterfeld“. Im April 1964 folgte eine zweite von der SED-Führung initiierte Bitterfelder Konferenz. In ihrem Kern zielte diese kulturpolitische Linie darauf, die „vorhandene Trennung von Kunst und Leben“ und die „Entfremdung zwischen Künstler und Volk“ zu überwinden. Dazu sollten umfassende Anstrengungen unternommen werden, um die arbeitende Bevölkerung an die Kunst möglichst durch eine eigene künstlerische Tätigkeit heranzuführen. Mit gezielten Kampagnen wie etwa der „Bewegung schreibender Arbeiter“, der Bildung von literarischen und künstlerischen Zirkeln in den Betrieben oder Veranstaltungen wie den regelmäßig stattfindenden Arbeiterfestspielen wurde die Laienkunst gefördert. Sie erlebte dadurch einen deutlichen Aufschwung. Die Künstler und Schriftsteller wurden im Rahmen dieser kulturpolitischen Kampagne dazu aufgefordert, in die Betriebe zu gehen, Stoffe aus der Arbeitswelt aufzugreifen und die Arbeiter bei der Herausbildung eigener künstlerischer Fähigkeiten zu unterstützen. Eine Reihe von Schriftstellern und Künstlern folgte diesem Aufruf und machte dabei höchst ambivalente Erfahrungen. Prominente Autoren wie Christa Wolf, Franz Fühmann, Stefan Heym, Peter Hacks u.a. formulierten ihr Unbehagen gegenüber einer mit der Kampagne verbundenen politischen Indienstnahme der Kunst und reklamierten eine größere Eigenständigkeit und Spezifik der literarischen und künstlerischen Produktion. Ab Mitte der 1960er-Jahre wurde die kulturpolitische Linie des Bitterfelder Wegs faktisch verlassen, ohne dass die Forderung der SED nach einer mit der Arbeiterklasse eng verbundenen Kunst als politischer Norm und als probates Instrument der Gängelung aufgegeben wurde.